Ansprache
des Bürgermeisters der "alten Stadt" in Dresden
zur Begrüßung der Theilnehmer
der XX. Versammlung des Deutschen Geometervereins
(Dresden 2. - 5. August 1896)
Tretet nur näher, werthe Gäste und seid willkommen mir auf's beste!
Herein Ihr Herren Geometer, auf Euch hat lang gewartet Jeder!
Im Namen uns'rer Stadt darf ich hinzu noch setzen:
Die Bürgerschaft, der Magistrat wissen Euch hoch zu schätzen.
Denn Ihr besitzt die Zauberkraft die Welt zu überzeugen;
von keiner andern Wissenschaft muß jeder so sich beugen,
wie vor der Mathematika -
da gibt's nicht Kniff und Praktika.
Den Raum des ganzen Erdenrund gibt uns der Geometer
mit fester Überzeugung kund genau auf's Kilometer;
Er weiß das kleinste Stückchen Feld der Bauern aufzufinden,
es gibt kein Fleckchen in der Welt, das er nicht könnt ergründen.
Und doch, allwissend ist er nicht, der irret heut', der morgen -
That er im Amt auch seine Pflicht giebt's doch noch andere Sorgen!
So Mancher mißt mit Ach und Weh den leeren Raum im Portemonnaie
Und findet: just in dem Quartal ist groß der Durst - die Kasse schmal.
Darüber setzt man sich hinweg, doch viele haben größeres Pech -
wenn plötzlich sie erschau'n mit Schmerz den Truginhalt im Weiberherz -
Als Mädchen war sie sanft und zart, als Frau wird sie ganz and'rer Art;
Der Geometer mißt mit Graus den Abstand beider Herzen aus;
Wohl ihm, kann er's zum Ziele führen, den Abgrund dann zu nivellieren.
Doch heut' vergesset alles Leid, und weiht Euch ganz der Fröhlichkeit;
Denkt nicht: ein Trunk sei Laster.
Des Archimedes Zauberkraft wird sich von selbst enthüllen,
laßt Ihr mit Wein und Gerstensaft nur erst die Gläser füllen. -
dann ziehen "Parallelen" sich geheimnisvoller Weise,
"Tangenten" geh'n von Tisch zu Tisch durch heitere Freundes-"Kreise"!